Mit einem historischen Akt leitete Großbritannien den Brexit ein – auf sechs gänzlich unsentimentalen Seiten verabschieden sich die Briten von der Europäischen Union. Unruhige Zeiten stehen beiden Seiten des Kanals bevor.
Trennung ohne Knall, aber mit Brief
Etwas über neun Monate nachdem das Vereinigte Königreich die Welt mit einem Referendum zum Austritt aus der EU überraschte, löste die britische Premierministerin Theresa May den Mechanismus aus, der den Volkswunsch wahr werden lässt: Artikel 50 der Lissabonner Verträge. Die offizielle Erklärung kam in Form eines Briefes von May an Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates.
Großbritannien und die anderen 27 Staaten der EU treten nun in Verhandlungen ein, die aller Wahrscheinlichkeit nach zäh und hart werden. Jahrzehnte von Verträgen, Verordnungen und Vereinbarungen sind aufzulösen. Die kommenden Gespräche umfassen eine schwindelerregende Zahl von Themen, darunter Handelsbedingungen, Einwanderungsregeln und natürlich Geld.
May relativierte frühere Drohungen, notfalls auch ohne Einigung die Gespräche zu verlassen – ein »schmutziger Brexit« – falls ihr die Angebote der EU nicht zusagen. In ihrem Schreiben spricht sie sich stattdessen für eine »konstruktive und respektvolle« Zusammenarbeit und Wahrung und Entwicklung der gemeinsamen europäischen Werte aus.
Video: Europaparlament legt seine Grundsätze für Brexit-Verhandlungen fest
Die echten Verhandlungen beginnen … bald
Erst wird darüber verhandelt, wie verhandelt wird. Zwar hat die EU die Annahme des Austrittsgesuchs formal bestätigt, die Chefs der Unionsmitgliedsstaaten treffen sich aber zunächst am 29. April zum Sondergipfel, um den Ablauf des Prozesses zu diskutieren. Einen Leitfaden hierfür gibt es nicht.
Einige heikle Fragen sind vorab zu klären:
- Wer wird die Renten der britischen Beamten zahlen, die für die EU gearbeitet haben?
- Welche Rechte genießen britische Staatsangehörige in der Union künftig, und umgekehrt?
- Welchen Raum sollen die späteren Handelsbeziehungen zwischen dem Königreich und der Union in den Austrittsverhandlungen einnehmen? Die übrigen Mitgliedsstaaten wollen erst die Scheidung, dann ein neues Handelsabkommen, die Briten möchten beides zusammen.
Last Exit Brexit – oder nicht?
May hat auch alle Zweifel ausgelöscht, ob Großbritannien die Partnerschaft wirklich beendet. »Das ist ein historischer Moment, von dem es kein Zurück geben kann«, sagte sie im britischen Parlament. Tusk hingegen glaubt, Artikel 50 könne umgekehrt werden. Zwar stimmen ihm einige Rechtsexperten zu, dass dies rein formal möglich wäre, jedoch gaben britische und europäische Beamte zu verstehen, sie würden nicht daran glauben.
Die Dauer der Austrittsverhandlungen soll zwei Jahre betragen und kann nur einstimmig von allen Mitgliedsstaaten verlängert werden. Wird innerhalb dieses Zeitrahmens keine Einigung erzielt und keine Verlängerung vereinbart, verlässt das Königreich automatisch die EU, und alle bestehenden Regelungen – einschließlich des Zugangs zum Binnenmarkt – würden nicht mehr gelten.
Nach der Euphorie der Katzenjammer
Das Entwirren einer Beziehung, die über vier Jahrzehnte dauerte, ist keine leichte Aufgabe. In die EU einzutreten, ist unkomplizierter, als sie zu verlassen. In den kommenden Monaten und Jahren ist mit vielen Gesprächen zu rechnen, gegenseitigen Anschuldigungen, Drohungen und gebrochenen Versprechen.
Titelbild: ©istock.com – egal
Keine Kommentare
Es gibt noch keine Kommentare! Schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel!