Seit der letzten Europawahl 2014 scheint es so, dass in dieser Zeit die Spannungen innerhalb Europas enorm zugenommen haben. Die Menschen haben inzwischen den Eindruck, dass nicht mehr die Wertegemeinschaft im Vordergrund steht, sondern immer mehr Gesetze und Verordnungen in Kraft treten. Die die Bürokratie wuchern lassen. Aber genau deshalb macht die Europawahl Sinn: Selten war die Auswahl unter den politischen Parteien und Konzepten so groß. Von denjenigen, die einen Zentralstaat nach Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika schaffen wollen bis zu denjenigen, die auf der anderen Seite des politischen Spektrums vermehrt die Interessen des eigenen Landes hervorheben.

Das Europaparlament und die Europäische Gemeinschaft als Brückenkopf der Demokratie

Die aktuelle Diskussion um den Brexit hat gezeigt, welche großen Geldbeträge aus den einzelnen Ländern in Richtung der Europäischen Union gehen. Die Zahlungen Deutschlands würden um bis zu 18 Milliarden Euro steigen, wenn Großbritannien austreten würde.

Angesichts der großen Finanzmittel lohnt sich die Betrachtung der Frage, ob die Institution Europäische Union mit Europawahl Sinn machen würden. Dafür hilft ein Blick zurück in die Geschichte Deutschlands und Europas.

Bis 1989 gab es in vielen heutigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union keine Demokratie mit freien und geheimen Wahlen. Stattdessen reichte der Einflussbereich des Sozialismus bis hin in die DDR, Polen, die Tschechei, die Slowakei und Polen (um nur einige zu nennen).

Damit standen die sowjetischen Truppen fast schon in Niedersachsen. Als Gegenpol zum von Russland geschaffenen Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (REGW) bot sich eine Kooperation westlicher Staaten an.

Das Parlament der EU soll die Regierung der EU kontrollieren und Entscheidungen treffen

Das Europaparlament ist das wesentliche, demokratische Element in der Europäischen Union: Die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Abgeordneten repräsentieren den Willen der Bevölkerung. Damit es nicht zu einem Übergewicht eines einzelnen Landes kommt, gibt es ein kompliziertes Verfahren welches Land wie viele Abgeordnete entsenden darf.

Allerdings ist das Europaparlament im Hinblick auf seine Befugnisse kein vollwertiges Parlament, wie wir es beispielsweise aus Deutschland kennen. Einige Rechte des Europäischen Parlaments sind eingeschränkt.

So kann es die Kommission lediglich dazu aufrufen in einem bestimmten Bereich tätig zu werden und hat anders als beispielsweise in Deutschland kein Recht einen komplett eigenen Gesetzentwurf einzubringen.

Deshalb spricht sogar eine der herausragenden Politiker der SPD (Martin Schulz) davon, dass es ein Demokratiedefizit geben würde. Dennoch macht die Europawahl Sinn: Durch die Stimme kann jeder Wahlberechtigte entscheiden, dass die Partei, die ihm zusagt, einen Einfluss im Parlament hat.

Also auch wie viel Europa er möchte. Erst vor kurzem sind die Parteien aufgewacht und diskutieren plötzlich wie sozial Europa sein solle, wie viel Kooperation es geben soll. Oder auch ob mehrere Staaten ein gemeinsames Budget verabschieden sollen? Oder soll es zurück in Richtung einer Binnenmarkt-Behörde gehen?

Berater Tipp

Der 25. Mai 2019 Tag der Entscheidung in Deutschland: Keinerlei Zweifel an Europawahl Sinn

Die zunehmende, kritische Haltung gegenüber einem Einheitsstaat oder auf der anderen Seite die Begeisterung darüber lässt auch an den Slogans der Parteien ablesen. Eine Regionalpartei ernennt sich zur „Volkspartei für Europa“ eine andere titelt „Europa ist die Antwort“. Die Grünen verwenden sogar den Slogan „Kein Zurück in den Nationalismus“ und suchen nach einem ökologischeren und sozialeren Europa.

Den Gegenpol bildet eine Partei, die wohl erstmals in das Europaparlament einziehen wird. Diese fasst unter dem Slogan „Freiheit statt Brüssel“ ein Prinzip zusammen, was sich beispielsweise in der Bundesrepublik seit mehr als fünfzig Jahren bewährt hat.

Das sog. Subsidiaritätsprinzip bedeutet, dass nur der kleinste Anteil der Gesetze und Aufgaben zentral geregelt wird. Ergänzt wird dies auch durch die Schlussfolgerung „Rückbaus der Europäischen Union“.

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Europa am Scheideweg: Wählerin und Wähler haben die einmalige Chance einer Richtungsentscheidung

Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend sein für das Verhältnis der einzelnen Staaten untereinander und dahingehend ob sich Brüssel wirklich zu der einen Hauptstadt für alle Mitgliedsländer entwickeln wird.

Noch nie hatte die Europawahl mehr Sinn! Denn das Gezerre um den Austritt Großbritanniens zeigt: Die Entwicklung zu einem Einheitsstaat ist keine Einbahnstraße, es sind verschiedene Formen der Intensität der Kooperationen der Länder möglich. Rückbau der Europäischen Union würde auch bedeuten, dass nicht jede bürokratische Regelung in allen Staaten angewendet werden muss.

So staunen die Autofahrer nicht schlecht, dass alle unbefristeten Führerschein plötzlich ungültig werden. Und alle zehn Jahre eine Erneuerung anstehen wird. Was viele für einen Eingriff halten, der in der „alten“ Bundesrepublik nicht möglich gewesen wäre.

Wo anfangs die Politiker doch versichert haben, dass es keine Umtauschpflicht zum EU-Führerschein geben würde. Oder Unternehmen, die sich wundern, dass die Unterlagen bei öffentlicher Auftragsvergabe immer umfangreicher werden – bis hin zu Lebensläufen der Mitarbeiter.

Die Europawahl ist deshalb nicht nur eine Entscheidung darüber „wie viel“ Europa wirklich notwendig ist, sondern welchen Stellenwert die früheren Gepflogenheiten in einzelnen Ländern noch haben sollen.

Wählerinnen und Wähler können auch ihrer Auffassung Ausdruck verleihen, ob angesichts des wirtschaftlichen Drucks aus Asien (Neues Seidenstraße-Projekt) ein einheitlicher Block Europa entgegenwirken sollte.

Titelbild: © iStock – Rawf8