Die Konkurrenzfähigkeit der Schiffe unter deutscher Flagge ist nach wie vor sowohl ein politisches als auch ein ökonomisches Problem. Droht der Schifffahrt in Deutschland das gleiche Schicksal wie dem Kohlebergbau?
Wer deutsch flaggt, zahlt mehr
Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs geht es deutschen Reedereien nicht gut. Ursache dafür sind laut Aussage von Alfred Hartmann, seit 2016 neuer Präsidenten des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), die Betriebskosten, die aufgrund der deutschen Beflaggung entstehen. Im internationalen Vergleich sind zur Zeit die finanziellen Aufwendungen für Heuer und Lohnnebenkosten für ein größeres deutsches Schiff viel zu hoch, um konkurrenzfähig zu sein.
Durchschnittlich 500.000 Euro mehr muss ein Reeder, der deutsch flaggt, im Jahr mehr bezahlen als unter fremder Flagge. Ein Schiff, das zum Beispiel unter der Flagge von Panama oder Liberia fährt, kennt diese Probleme nicht. Auf die Dauer ist das kaum noch zu bewältigen. Ein Umstand, der bereits zu Ausflaggungen geführt hat. Die Bundesregierung hat das Signal längst erkannt, ist aber bisher weitgehend untätig geblieben.
Die deutsche Flagge muss europäischer werden
Hartmann sieht das Problem hauptsächlich in den hohen Standards des Sozial-und Arbeitsrechts, die auf deutschen Schiffen herrschen. So müssen entsprechend der Vorschriften der Kapitän, der Chefingenieur sowie ein Großteil der Offiziere aus zumindest einem Land der Europäischen Union stammen. Zudem muss der Kapitän Deutsch sprechen können. Ebenso verhält es sich bei den Steuern, betrieblichen Nebenkosten und sozialen Abgaben, die in Deutschland extrem hoch sind. Die Zahl der deutsch geflaggten Handels- und Containerflotte ist in den letzten Jahren stark rückläufig. Allein im Jahr 2014 befanden sich unter den rund 374 Handelsschiffen von Hamburg nur noch 155 Containerschiffe. Selbst Hapag-Lloyd lässt zur Zeit nur 41 seiner insgesamt 200 Frachtschiffen unter deutscher Flagge fahren.
Aktuell gibt es in Deutschland 3.500 Handelsschiffe. 600 Schiffe unter deutscher Flagge war das gesetzte Ziel, das sich das Maritime Bündnis vor einigen Jahren gesetzt hatte. Doch davon kann zur Zeit keine Rede sein. Im Gegenteil, die anhaltende Schifffahrtskrise setzt die deutschen Reeder immer mehr unter Druck. Viele reagieren mit Ausflaggen. VDR-Präsident Hartmann fordert daher die Regierung auf, die deutsche Flagge in der Schifffahrt europäischer auszurichten.
Bisherige Reaktion der Bundesregierung
Bisher hat die Regierung dahingehend reagiert, dass im Rahmen der Tonnagesteuer Gewinne und Verluste deutsch geflaggter Schiffe pauschal besteuert werden. Zudem werden deutschen Seeleuten Steuererleichterungen gewährt. Dennoch genügt das dem Verband Deutscher Reeder nicht. Die deutsche Schifffahrt kann, laut Hartmann, unter diesen Umständen auf Dauer international und vor allem im ostasiatischen Bereich nicht konkurrenzfähig sein.
Kann die Deutsche Handelsflotte noch auf Kurs gebracht werden?
Laut Alfred Hartmann sind fremde Flagge in der Schifffahrt ein alltägliches Bild. Mittlerweile fahren rund drei Viertel der globalen Handelsschiffe unter fremder Flagge. Vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung endlich zugestimmt. So versprach die Kanzlerin auf der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremerhaven die Reeder von der Lohnsteuer zu befreien. Ebenso sollen die Sozialversicherungsbeiträge in Zukunft entfallen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt kündigte eine Änderung der Schiffsbesetzungsordnung für Schiffe mit deutscher Flagge an. Damit hat die Regierung Maßnahmen geplant, die durchaus geeignet sind, die deutsche Schifffahrt wieder auf Kurs zu bringen – sofern diese auch rechtzeitig umgesetzt werden.
Titelbild: © istock.com – nightman1965