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Skandal in der Autoindustrie – der Kartellverdacht rund um die Autobauer

Roboter an einer Produktionsstraße in der Autofabrik

Ende letzter Woche erschütterten ganz unerwartete und auch deftige Meldungen die Presse- und die Autolandschaft: Ein großes Nachrichtenmagazin kündigte einen brisanten Artikel für das am Samstag erscheinende Heft an, der sich als Sprengstoff für die Glaubwürdigkeit eines der wichtigsten Branchen in Deutschland erweisen könnte. Die großen Autohersteller sollen sich bei Preisen und Technik abgesprochen haben und so -zumindest der Eindruck- auch die mittelständischen Lieferanten unter Druck gesetzt haben. Die entscheidende Frage lautet: Künstliche Skandalisierung oder wird alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird?

Kartell- und Preisabsprachen widersprechen dem Gedanken der freien Marktwirtschaft

Am Freitag meldete der Spiegel vorab, dass Audi, BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen schon seit über zwanzig Jahren enger zusammenarbeiten würden, als es der Marktwirtschaft gut tut. Eigentlich – so das Credo der freien Marktwirtschaft – sichert die Existenz verschiedener Unternehmen einen möglichst harten Wettbewerb, so dass die Verbraucherinnen und Verbraucher Waren und Dienstleistungen zu günstigeren Preisen erwerben können. Nachteil für die Unternehmen: Geringere Gewinnspannen.

Das angebliche Kartell, von dem der Spiegel berichtet, hätte technische Fragen abgestimmt und Zulieferpreise sowie auch die Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen unternehmensübergreifend geregelt. Dies würde aus einer Selbstanzeige von Autoherstellern gegenüber dem Bundeskartellamt hervorgehen. Wobei sich die Meldungen Anfang der Woche widersprechen. Und zwar im Bezug darauf, wer denn den Stein ins Rollen gebracht haben könnte. Entweder VW oder Mercedes? Künstliche Aufregung oder Milliardenrisiko: Bekommen die Verbraucher nun Geld zurück?

Auf alle Fälle bringen sich schon jetzt die „üblichen Verdächtigen“ in Stellung, denen angebliche oder tatsächliche Skandale jede Menge Arbeit (und Geld in der Kasse) bringen sollen. Verbraucherschützer – deren Arbeit übrigens zumindest teilweise vom Steuerzahler getragen wird – erwarten schon Tausende Klagen von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber den Autoherstellern. Obwohl dieses Internet-Angebot keine Rechtsberatung ersetzen kann, möchten wir die Erfolgsaussichten abschätzen: Eine Klagewelle mag zwar anrollen, aber dass die Verbraucher gewinnen, das halten wir für unwahrscheinlich.

Die betroffenen Autohersteller sind alle börsennotiert, weshalb deren Jahresgewinne oder besser gesagt die Gewinnspannen öffentlich sind. Sieht man sich in den gängigen Börseninformationssystemen um, so gilt Volkswagen bei der Umsatzrendite mit zwischen 3 und 4 % als Schlußlicht, BMW und Daimler können in manchen Jahren eine gerade zweistellige Umsatzrendite von knapp über 10 % vermelden.

 

Wucher und Übervorteilung?

Es ist davon auszugehen, dass die meisten Autofahrer sehr gut informiert sind, was das Interesse an Autozeitungen, Veranstaltungen und über 19 Millionen Mitgliedern ist davon auszugehen, dass die Automobilindustrie keinesfalls eine hilflose und überforderte Kundschaft übervorteilt hätte.

Video: Gab es ein deutsches Auto-Kartell?

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Bald wird die Luft aus dem Skandal sein: Kerosinzuschlag und Interbankenzins lassen grüßen

Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an einen ähnlichen Skandal in der Luftfahrtindustrie. Dort – so der Vorwurf der EU-Kommission – hätten sich die Fluggesellschaften im Bezug auf eine Flugpreiskomponente, den sogenannten Kerosinzuschlag, miteinander abgestimmt. Und anstatt individueller Kalkulation einen einheitlichen Satz verwendet, der auch bei Einsparungen durch Treibstoffkostensenkungen nicht gesenkt worden wäre. Letztendlich kam keiner der Manager ins Gefängnis, einige Beteiligte Unternehmen mussten ein Bußgeld zahlen.

Bei einem Jahresumsatz von etwas über 11 Milliarden Englischen Pfund (nach heutigen Umrechnungskursen etwa 12,3 Milliarden Euro) musste die BA 104 Millionen (!) Euro bezahlen. Also gerade mal ein Prozent des Jahresumsatzes – obwohl die Absprachen auch über mehrere Jahre gingen. Aus einer anfänglichen Erregung der Öffentlichkeit resultierte nicht etwa ein Boykott durch die Verbraucherinnen und Verbraucher, Fliegen ist beliebter denn je.

Noch komplexer ist es beim Skandal um die angebliche Veränderung des Interbankenzinssatzes. Dort wurden jahrhundertealte B Börsenusancen plötzlich in Frage gestellt. Allerdings erst als die entsprechenden Spekulationsprodukte nicht mehr im Plus, sondern im Minus waren.

Dieser Skandal verbindet Feindbilder mit einem allgemein kritischen Umfeld

Wer selber nachrecherchiert und auf die Zulassungszahlen beim Kraftfahrtbundesamt blickt, der wird sehen: Das Automobil bleibt weiterhin sehr beliebt. Dank einer breit aufgefächerten Produktpalette passen sich die Autos auch besser denn je an die Vorlieben der Autofahrer an.

Ein bisschen Nährboden für den Skandal gibt es aber noch: Durch die Diesel-Thematik sind die Emotionen aufgeladen und zudem befinden wir uns auch kurz vor der Bundestagswahl. Deshalb kann es durchaus sein, dass die politische Farbe „grün“ noch einmal die eigene Umweltkompetenz betont und „dunkelrot“ das klassische Lied der Ausbeutung der Menschen durch die Großkonzerne wieder anstimmt. Auf alle Fälle bleibt es spannend.
Titelbild: ©istock.com – microolga

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